Am Donnerstag, den 14. November, endete der 81. Gipfel der ICANN, der Organisation für die Internetverwaltung. Dieser Gipfel fand am Bosporus, an der Grenze zwischen Asien und Europa, in Istanbul (Türkei) statt. Es war das letzte Treffen der globalen Internetgemeinschaft im Jahr 2024, bevor der Blick auf das Jahr 2025 gerichtet wird.
Tripti Sinha, die erneut zur Vorsitzenden des Verwaltungsrats von ICANN gewählt wurde, eröffnete die Veranstaltung mit einem ernüchternden Statement: „Das vergangene Jahr (2024) war für die ICANN schwierig.“
Herausforderungen für die ICANN auf mehreren Ebenen
Die Organisation sieht sich einer Vielzahl von Herausforderungen gegenüber, angefangen bei geopolitischen Spannungen zwischen Russland, China und dem Westen, die den globalen Multi-Stakeholder-Ansatz der ICANN unter Druck setzen. Obwohl die ICANN betont, apolitisch zu sein, bleibt sie als Organisation nach US-amerikanischem Recht ein Brennpunkt in einem zunehmend angespannten internationalen Kontext. Konflikte im Nahen Osten, die bereits frühere Gipfel dieses Jahres beeinflussten, spielten ebenfalls eine Rolle.
Hinzu kommen interne Herausforderungen: Ein Wechsel in der US-Regierung hin zu einer zweiten Amtszeit von Donald Trump sorgte auf dem Forum für Diskussionen. Ein Teilnehmer stellte sogar die Frage, ob die ICANN in der Lage sei, die Kontrolle über US-Militärsysteme zu übernehmen – eine absurde Vorstellung, die jedoch auf Unsicherheiten und Ängste hinweist. Tripti Sinha betonte, dass finanzielle Schwierigkeiten, ein laufender Rechtsstreit gegen die Organisation und steigende Betriebskosten, verstärkt durch Inflation, die ICANN belasten. Diese Entwicklungen führten auch zu einer Verteuerung von Domainnamen, was wiederum den Markt für generische Domainnamen bremste.
Wechsel an der Spitze: Erik Lindqvist übernimmt die Führung
Erik Lindqvist, der neue Präsident der ICANN, wird sein Amt offiziell am 9. Dezember 2024 antreten.
Ein zentraler Punkt des Gipfels war der Amtsantritt von Erik Lindqvist, der am 9. Dezember 2024 offiziell als neuer Präsident der ICANN Sally Costerton nachfolgt. Während einer kurzen Ansprache sprach Lindqvist über seinen beruflichen Werdegang und seine Pläne. Zu seinen vordringlichen Aufgaben zählen die Überprüfung der finanziellen Situation der ICANN sowie die Prüfung möglicher Einsparungen und neuer Einnahmequellen. Diskutiert wurde unter anderem, ob Teilnahmegebühren für Gipfeltreffen erhoben oder die Wahl der Veranstaltungsorte optimiert werden könnten.
Von Lindqvist, der seinen Sitz in Genf, Schweiz, haben wird, wird zudem erwartet, die Interaktion mit den verschiedenen ICANN-Gremien zu fördern. Zu den weiteren Prioritäten zählen die Verteidigung des Multi-Stakeholder-Modells und die Förderung ethischer Richtlinien innerhalb der Organisation.
Neue Domain-Endungen für 2026
Die ICANN arbeitet weiterhin an der nächsten Runde generischer Top-Level-Domains (gTLDs), deren Bewerbungsphase im April 2026 starten soll. Trotz der Herausforderungen läuft die Umsetzung der Empfehlungen aus dem „Subsequent Procedures“-Prozess (SubPro) nach Plan. Der Bewerbungsleitfaden soll bis Ende 2025 fertiggestellt werden, und auch der zukünftige einheitliche Vertrag für Registrierungsstellen wird derzeit entwickelt. Dieser neue Vertrag soll für alle Typen von Domain-Endungen gelten, darunter offene, markenspezifische und internationalisierte Domains (dotBrand). Neu ist die Einführung einer 14. Spezifikation, die sich speziell mit Varianten von mehrsprachigen Endungen befasst.
Bemerkenswert ist, dass private Auktionen zur Entscheidung zwischen mehreren Bewerbern um dieselbe Endung 2026 nicht mehr zulässig sein werden. Stattdessen verabschiedete der Verwaltungsrat der ICANN ein Unterstützungsprogramm für künftige Bewerber aus benachteiligten Regionen, das 2025 mit einer gezielten Kommunikationskampagne starten soll.
Fortschritte bei Domainmissbrauch und neuen Technologien
Auf dem Gipfel wurden auch Maßnahmen gegen Missbrauch im Domainnamen-System evaluiert. Seit April 2024 gelten strengere Verpflichtungen für Registrierungsstellen, um bei eindeutigem Missbrauch, wie Phishing-Aktivitäten, einzuschreiten. In den ersten sechs Monaten nach Einführung dieser Maßnahmen wurden 363 Beschwerden eingereicht.
Ein weiteres Projekt ist der Registration Data Request Service (RDRS), ein Prototyp zur zentralisierten Bearbeitung legitimer Anfragen zu Registrierungsdaten. Bisher wurden Anfragen für etwa 13.000 Domains gestellt – eine geringe Zahl im Vergleich zu den 170 Millionen generischen Domainnamen weltweit. Ein weiterer Meilenstein ist die geplante Ablösung des veralteten Whois-Protokolls durch das RDAP-Protokoll (Registration Data Access Protocol), die bis Ende Januar 2025 abgeschlossen sein soll. Allerdings ist RDAP bislang nur selten korrekt implementiert.
Ein Jahr voller Herausforderungen und wichtiger Entscheidungen
Der 81. ICANN-Gipfel fand in einem von Spannungen geprägten internationalen Umfeld statt und markiert den Beginn eines neuen Kapitels unter der Leitung von Erik Lindqvist. Die erfolgreiche Einführung der neuen Domain-Endungen im Jahr 2026 wird für die ICANN entscheidend sein, um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen und finanzielle Stabilität zu sichern. Ein Scheitern dieses Projekts, das 14 Jahre nach der letzten Runde 2012 erwartet wird, könnte die Organisation weiter belasten.
Mit steigenden Bewerbungsgebühren (227.000 USD pro Domain) und der Abschaffung privater Auktionen könnten die Hürden für Investoren jedoch größer werden. Dennoch sehen Branchenakteure wie Nameshield großes Potenzial, insbesondere in markenspezifischen Endungen (dotBrand), und bieten umfassende Unterstützung für zukünftige Bewerber.
Bildquelle: ICANN